Wilde Weide als Antwort auf das Artensterben
LUDWIGSBURG / GROSSBOTTWAR. Landrat Dietmar Allgaier besuchte in der vergangenen Woche die Wasserbüffelweide in der Bottwaraue. „Dieses Modellprojektmüsste man geradezu erfinden, wenn es das nicht schon geben würde“, so das Resümee des Landrats nach dem Termin. Landrat Allgaier wurde orts- und fachkundig begleitet vom Großbottwarer Bürgermeister Ralf Zimmermann, den Wasserbüffelmanagern Andreas und Uli Weigle, sowie Gerhard Fahr, und dem Initiator des Projekts NatureLife, Präsident Claus-Peter Hutter. Das Wasserbüffel-Kernteam konnte zusammen mit dem Direktor des Naturkundemuseums Stuttgart, Prof. Dr. Lars Krogmann, die unterschiedlichen - durch die Weidetätigkeit der Wasserbüffel entstandenen Biotopstrukturen und das sich dort angesiedelte, vielfältige Insektenleben - aufzeigen. Dieses wiederum ist Nahrungsbasis für die darauf angewiesenen Vogelarten, deren vielstimmiger Gesang die Naturtour zwischen unterschiedlichen Wiesen und Weiden, Sumpfflächen, Wasserlauf,Gebüsch und Gehölze untermalte. „Ich war schon vor zwei Jahren hier und bin erstaunt wie positiv dynamisch sich die Auenlandschaft durch den Einsatz der Wasserbüffel entwickelt“, sagte der renommierte Zoologe und Entomologe Prof. Dr. Krogmann, der auch das Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie an der Universität Hohenheim leitet. „Wir müssen ganz einfach der wilden Natur auch in Agrarlandschaften wieder mehr Chancen geben, wenn wir das Artensterben wirksam stoppen wollen. Wilde Tiere und Pflanzen gibt es ja nicht nur in streng geschützten Nationalparks, sondern immer auch in den Offenlandschaften. Naturnahe Weideökosysteme haben dabei eine besondere Bedeutung, die in den vergangenen Jahrzehnten viel zu wenig Beachtung fanden“, erklärte Krogmann. Fast bei jedem Schritt konnte der Entomologe Landrat Allgaier spannendes Insektenleben von Eintagsfliegen über Libellen, Käfer, Wanzen, Zikaden, Bartmücken, Schwebfliegen, Schmetterlingen, Wildbienen und anderen Artengruppen zeigen. „Die üppige Flora und Fauna und der Ansatz, Naturschutz durch eine letztlich über Jahrhunderte bewährte Beweidung mit Klimaschutz, Umweltbildung, Heimatpflege und Tourismusförderung zu verbinden, hat mich überzeugt“, sagte Landrat Allgaier.
Positive Bilanz für Natur und Mensch
Wie Hutter berichten konnte, haben Artenschutzexperten im Rahmen systematischer Erfassungen die positive Entwicklung zur ökologischen Optimierung der Wasserbüffelweide untermauert. So ist das Areal nicht nur Brutgebiet vieler, zum Teil sehr selten gewordener Vogelarten, sondern auch Überwinterungs- und Rastplatz. Zu den festgestellten Vogelarten gehören u.a. Bekassine, Wasserralle, Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, Neuntöter, Wiesenpieper und verschiedene Rohrsänger. Eine kleine Sensation ist bei den Insektenspezialisten schon allein das Vorkommen von 26 Dungkäferarten; davon vier mit nationalem Gefährdungsstatus. Im Vergleich zu fünf anderen Wasserbüffelweiden in Baden-Württemberg liegt die Artenzahl sogar teilweise um das doppelte höher. „Die Arbeit der Wasserbüffel mit Biss und Schiss zeigt Wirkung, weshalb uns alle Expertenangesichts der Ergebnisse, des Vegetationsaufkommens und der damit verbundenen Potentiale raten, die Anzahl der Tiere zu erhöhen und durch Verkauf von Jungtieren die finanzielle Basis seitens des Fördervereins zu verbessern“, fasste Hutter die jetzt vierjährige Arbeit seit dem Einsetzen der Tiere und einem Vorlauf von rund acht Jahren zusammen. Überaus positiv ist auch die gesellschaftliche Wirkung des Modellprojektes „Unsere Bürgerinnen und Bürger haben die Wasserbüffel lieb gewonnen, identifizieren sich mit der Landschaft und viele Menschen kommen wegen des Projektes gezielt von außerhalb des Landkreises ins Bottwartal, was letztlich auch zur Förderung des Tourismus beiträgt“, stellte Bürgermeister Ralf Zimmermann im Gespräch mit Landrat Allgaier fest. Das spüren tagtäglich auch die Büffelmanager. Die Familien Fahr und Weigle werden bei Einsätzen im Gebiet geradezu gelöchert mit Fragen zu den Wasserbüffeln und deren Naturschutzarbeit. „Auch wenn der umfassende Natur-, Kultur- und Weinlehrpfad, zu dem auch das „Fünf W“, in den das Projektgebiet eingebunden ist, schon viele Bilder und Antworten liefert, suchen viele Menschen das direkte Gespräch“, berichteten unisono Gerhard Fahr sowie Uli und Andreas Weigle. Darüber hinaus bieten Firmen und verschiedene Institutionen Hilfe an. So waren schon mehrfach Teams des Kultur- und Kongresszentrums Liederhalle (KKL) Stuttgart oder der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg bei Pflegeeinsätzen wie dem Zaunbau dabei, auch seitens Mercedes-Benz wurde schon angeklopft. Dies alles will organisiert sein und erfordert enormen Arbeitseinsatz, der neben dem Kernteam von rund zwei Dutzend Helfern ehrenamtlich erbracht wird. „Was hier für Ökologie und Gesellschaft geleistet wird, kann nicht hoch genug geschätzt werdenund sollte noch mehr Vorbild sein.