Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann besuchte die Wasserbüffelweide im Bottwartal
Eisenmann würdigt das Beweidungsprojekt als herausragenden Beitrag für biologische Vielfalt und außerschulisches Lernen.
„Außerschulische Lernorte in der Natur werden für die Persönlichkeitsbildung und das Umweltverständnis immer wichtiger“
Großbottwar. „Es ist für mich äußerst beeindruckend, wie mit diesem Projekt modellhaft Natur- und Heimatbewahrung, modernes Landschaftsmanagement, Biodiversität und Naturvermittlung zusammengebracht werden“, so Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann bei ihrem Besuch auf der Büffelweide im Bottwartal am vergangenen Samstag. Auf Einladung der Umweltstiftung NatureLife International und des Vereins für Landschaftspflege und Naturschutz durch Beweidung im Bottwartal e.V. war Eisenmann zu den Wasserbüffeln und deren Betreuern gekommen, um sich am praktischen Beispiel über neue Wege des Landschaftsmanagements und deren Verknüpfung mit außerschulischer Bildung im Lernort Natur zu informieren.
Zur Vorstellung des Projektes und dessen Bedeutung für die regionale und überregionale Biotopvernetzung und den vielseitigen Möglichkeiten der Umweltbildung gab es ganz dem Thema entsprechend, eine Präsentation im Weideunterstand und eine Geländebegehung mit Besuch der Büffel, die derzeit auf der anderen Seite der Bottwar weiden. Hierzu konnte Claus-Peter Hutter, Präsident der Umweltstiftung NatureLife und Initiator des Projekts, neben Bürgermeister Ralf Zimmermann die Landtagsabgeordneten Fabian Gramling (CDU) und Daniel Renkonen (Grüne), die Top-Experten für das Ökosystem Weidelandschaften Prof. Dr. Rainer Luick von der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg und Dr. Alois Kapfer, Vorsitzender des Vereins zur Förderung naturnaher Weidelandschaften e.V. und Inhaber des Planungsbüro Landschaftsplanung und Landentwicklung in Tuttlingen begrüßen. „Mit den Büffelmanagern Gerhard Fahr, Vorsitzender des Vereins für Landschaftspflege und Naturschutz durch Beweidung im Bottwartal e.V., den Landwirten Andreas und Uli Weigle und den beiden Wissenschaftlern, welche heute wegen der Corona-Einschränkungen ein Team von über zwei Dutzend am Projekt Beteiligter vertreten, haben wir heute geballtes Expertenwissen aus Forschung, Lehre, Landwirtschaft- und Naturschutzpraxis beieinander“, sagte C.-P. Hutter. Die Wissenschaftler Luick und Kapfer verstanden es, ganz nahe an der Praxis aufzuzeigen, wie bedeutend die in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zurückgegangenen Weideflächen für die Stabilität des Ökosystems Kulturlandschaft sind. „Ein entscheidender Faktor für den Verlust an biologischer Vielfalt ist das zunehmende Fehlen von Weidetieren in naturverträglicher Haltung und damit das Fehlen von dynamischen Prozessen und Strukturbildungen, die mit dem Vorkommen von Weidetieren wie etwa den Wasserbüffeln zusammenhängen. Diese sind essentielle Voraussetzungen für die biologische Vielfalt. Man denke nur an den dramatischen Rückgang der Insekten. Diese aber sind Grundlage für die Existenz vieler Vogelarten und anderer Lebewesen“, betonte Prof. Rainer Luick. Er appellierte ebenso wie Dr. Alois Kapfer – beide haben maßstäbliche wissenschaftliche Studien verfasst und Modellprojekte begleitet – an die Politik massiv den Wiederaufbau vernetzter, extensiver Weidesysteme als Basis für die Rettung der biologischen Vielfalt zu fördern. „Wir wissen wirklich genug um zu handeln, aber wir brauchen die politischen Rahmenbedingungen dazu. Sowohl auf der Ebene der Europäischen Union als auch in Bund und Land fehlt es bei den Agrar-Förderkulissen an entsprechender Berücksichtigung von extensiven Beweidungsflächen“, sagte Dr. Kapfer.
Ministerin Eisenmann zeigte sich mehr als offen für die in Großbottwar präsentierten Ansätze durch eine „jahrhundertelang bewährte aber in den letzten Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund getretene Beweidung, die Herausforderung des Artensterbens an den Wurzeln zu packen. Die Ministerin: „Auf sehr anschauliche Weise haben Sie mir heute vermittelt, dass wir gerade im Hinblick auf einen konsensfähigen Naturschutz den Zusammenhänge zwischen angepasster Nutzung und Landschaftserhaltung mehr Beachtung schenken müssen und statt Käseglocken über die Landschaft zu stülpen naturnahe Prozesse durch Beweidung und damit mehr Dynamik in der Landschaft fördern sollten.“ Eisenmann unterstrich dabei auch, dass Biotopvernetzung mit der Inwertsetzung der Landschaft für Tourismus und Naherholung sowie die für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg so wichtige grüne Infrastruktur einhergehe.
Dass die Akzeptanz hierfür in der Bevölkerung längst vorhanden ist und sich die Menschen geradezu nach intakter Natur sehnen, haben nach den Worten von Gerhard Fahr nicht erst die Einschränkungen der Corona-Pandemie gezeigt. „Ob Spaziergänger, Fernwanderer oder Radfahrer, die Leute aus nah und fern löchern uns geradezu mit Fragen zu den Tieren, zur Landschaft und zu den ökologischen Zusammenhängen. Die Menschen sind neugierig und offen für solche Projekte wie nie“, erzählt Gerhard Fahr, der zusammen mit der Landwirtschaftsfamilie Weigle und NatureLife das mehrere Jahre lang vorbereitete Projekt von Anfang an mit auf den Weg gebracht hat. Um die Leute dort abzuholen wo sie sind und mehr Informationen über die Hintergründe zur Verfügung zu stellen, als es die ehrenamtlichen Kräfte des Projektes bewältigen können, soll nach den Worten von C.-P. Hutter und Bürgermeister Ralf Zimmermann ein Natur-, Kultur- und Weinerlebnispfad eingerichtet werden, der nicht nur die Büffelweide einbezieht, sondern auch angrenzende Biotoptypen wie Obstwiesen, Weinberge und den Wald umfasst. Internet-gestützte Info-Module sind dann nicht nur vor Ort sondern von allen Interessierten von zu Hause aus abrufbar.
Ministerin Susanne Eisenmann begrüßte dieses Folgeprojekt als wichtige Investition in Natur und Mensch und unterstrich die Bedeutung der außerschulischen Lernorte. „Wissen über die Natur und die ökologischen Zusammenhänge in der Kulturlandschaft sind ja wichtige Voraussetzungen für deren Schutz, überhaupt für den gesamten Umweltschutz. Nur wer Natur kennt, kann auch Umwelt schützen. Deshalb ist der Lernort Natur unersetzlich“, sagte Eisenmann. „So wie richtiges Lesen, Schreiben und Rechnen zur Allgemeinbildung gehören, müssen auch die Kenntnisse der wichtigsten Tier- und Pflanzenarten sowie deren Lebensräume wieder zum kleinen Wissensgepäck aller Bürgerinnen und Bürger werden. Es gilt, der in den letzten Jahren immer mehr zu beobachtenden Wissenserosion in Sachen Natur entschieden entgegen zu wirken“, so die Ministerin. Weil viele Kinder heute in naturferner Umgebung aufwachsen würden und das, was früher von Generation zu Generation über Natur, Landschaft, Landwirtschaft und Ernährung weitergegeben wurde, nicht mehr vermittelt bekommen, gelte es, auch in den Schulen und dort nicht nur im Biologie-Unterricht wieder mehr Artenkenntnis und Artenwissen zu vermitteln.