Buchfink, Meise & Co. – Soll man Vögel im Winter füttern?

Es ist schon paradox: Viele Menschen kaufen kilo- und halbzentnerweise für den Winter Sonnenblumenkerne, hängen Meisenknödel auf und wollen so den armen Vögeln helfen. Doch den Sommer über tun sie alles, was den gefiederten Bewohnern ihrer Gärten aus Vogelsicht den Winter und damit das Leben schwer macht. Statt Holunder, Hartriegel und Heckenrose pflanzen sie langweilige Thuja-Hecken, an denen es im Winter keine nahrhaften Früchte für Amsel, Wacholderdrossel und andere Arten gibt. Sie pflegen ihr Grün wie einen deutschen Sportplatzrasen, anstatt blumenbunte Vielfalt zu fördern und da und dort in einer Ecke des Gartens auch Stauden stehen zu lassen, die im Winter für Distelfink und Hänfling nährstoffreiche Samen bereithalten. Und in den meisten Gärten scheint ständig Kehrwoche zu herrschen, alles sauber aufgeräumt zu werden, sodass kein Platz mehr bleibt für einen Reisighaufen, in dem der Igel überwintern kann und Weichfresser wie Zaunkönig und Rotkehlchen Nahrung finden können.

Mit der Vogelfütterung – so sagen manche Öko-Hardliner – werden nur solche Arten gefördert, die ohnehin häufig sind. Dazu zählen etwa Kohl- und Blaumeise. Wenn dann ihre gefiederten Verwandten unter den Höhlenbrütern aus ihren Winterquartieren in Südeuropa und Afrika zurückkehren, sind geeignete Höhlen in morschen Bäumen oder Nistkästen bereits besetzt. Grauschnäpper und Gartenrotschwanz haben dann das Nachsehen. Manche Ornithologen – wie die Vogelkundler in der Fachsprache genannt werden – fordern deshalb, gänzlich auf die Vogelfütterung zu verzichten und stattdessen natürliche Strukturen in Gärten, Parks, in Feld und Flur zu fördern. Doch wo bleibt das Mitleid mit der Kreatur, das Gefühl und die Verantwortung für das Lebendige?

Unbestritten ist, dass die Vogelfütterung im Winter bestens geeignet ist, mit Kindern Natur zu beobachten, die Vielfalt an Arten und deren Verhalten kennenzulernen und so ein Gefühl für die Natur und deren Schutzbedürftigkeit zu vermitteln. Auch für viele Senioren, die etwa gehbehindert und deshalb in ihrem Aktionsradius eingeschränkt sind, ist ein Futterhäuschen, sind Meisenknödel oft die einige Möglichkeit, an tristen Wintertagen Sichtkontakt mit lebendiger Natur zu bekommen. Geht es also um Naturerfahrung und Umweltbildung, so spricht doch einiges für die Vogelfütterung im Winter. Dies zumal viele Feldfluren ausgeräumt sind und kaum ökologische Nischen bieten, in denen Vögel wie etwa Goldammer und Stieglitz Futter finden können.

Doch wie soll die Winterfütterung aussehen?

Man kann der Vogelwelt schon helfen – auch das ist eine Art Winterfütterung –, wenn man im Garten an ein paar Ecken Stauden stehen lässt, Reisighaufen anlegt und statt Thuja- und anderen immergrünen Gehölzen – die eigentlich nicht in unsere Gärten gehören –, wie einst Großmutter und Großvater, heimische Wildgehölze wie Weißdorn, Haselnuss und Pfaffenhütchen pflanzt. Die Beeren des Pfaffenhütchens – die schön aussehen aber sonst giftig sind – verspeist mit Vorliebe das Rotkehlchen. Die Giftstoffe können ihm nichts anhaben.

Futterhäuschen sollten so aufgehängt oder aufgestellt werden, dass sie sicher vor Katzen sind und das Futter schnee- und regengeschützt ist. Bewährt haben sich sogenannte Futtersilos, bei denen immer nur so viel Sonnenblumenkerne nachrutschen, wie die Vögel dann am Rand verspeisen.

Futterstellen immer wieder reinigen und sauber halten, damit sich dort, wo viele Vögel zusammenkommen, keine Krankheiten ausbreiten können.

Nicht nur an Körnerfresser wie Grünfink, Buchfink und verschiedene Meisen denken, sondern auch sogenannten Weichfressern wie Rotkehlchen, Heckenbraunelle und Zaunkönig Nahrung anbieten. Meisenknödel und Meisenringe sind hier nicht geeignet, da sie eben nur Meisen und ab und zu Sperlingen oder Spechten Nahrung bieten; Rotkehlchen und Zaunkönig können so gut wie nicht an diese Futterquelle gelangen, da es die Natur so eingerichtet hat, dass sie ihr Futter nicht kopfüber hängend suchen können.

Es gibt entsprechende Futtermischungen für Weichfresser; solche lassen sich aber ganz einfach selbst herstellen. Man nimmt ungesalzenes Rinder- und/oder Schweinefett und vermengt dieses mit fein gemahlenen Haferflocken und Weizenkleie, ganz fein gemahlenen Haselnüssen und ein paar Rosinen. Solches Futter kann – übrigens auch außerhalb der Ortschaften, etwa in der eigenen Obstwiese – mit einem Spachtel auf die Rinde von Bäumen (katzen- und mardersicheren Abstand vom Boden halten; Vögel müssen eventuelle Feinde frühzeitig erkennen können) aufgebracht werden.

Nicht ärgern, wenn ein Sperber oder Habicht einen Vogel am Futterhaus schlägt. Auch diese Arten haben Hunger und leiden in Wintern mit hoher Schneelage und vielen Tagen mit Dauerfrost besonders Hunger, weil Mäuse und anderes Kleingetier geschützt in ihren Bauen verharren. Wer auf diese Art auch Greifvögel füttert, hilft der Natur also ganz besonders. Auch wenn es der eine oder andere als grausam empfinden mag, wenn ein Kleinvogel geschlagen wird; die Natur hat nun mal ihre eigenen Gesetze!

Auch an andere Arten, die bedroht sind, denken. Dort, wo es im Gegensatz zu den Speckgürteln von Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe und anderen Industriezentren noch Scheunen gibt und nicht alle Dachböden ausgebaut sind, sollten – wie dies über die vergangenen Jahrhunderte vielerorts der Brauch war – Einflugmöglichkeiten offengehalten werden. So können auch Schleiereulen – die am meisten gefährdete Eulenart in Baden-Württemberg – Mäuse jagen, wenn draußen Eis und Schnee die Landschaft im Klammergriff halten. Außerdem finden so auch die ebenso gefährdeten Fledermäuse ein Winterversteck.